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Lustenauer Gemeindeblatt Nr. 19 | Freitag 14. Mai 2021

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Amts- und Anzeigenblatt der Marktgemeinde Lustenau | Erscheint jeden Freitag, Erscheinungsort und Verlagspostamt: 6890 Lustenau

Historisches Archiv

Historisches Archiv Josefa Holzer – ein Denunziationsopfer Das Schicksal von Josefa Holzer wurde in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg, wie es scheint, nicht wirklich tabuisiert, aber auch nicht an die große Glocke gehängt. So fasst etwa Gemeindearchivar Adolf Bösch die damaligen Geschehnisse 1990 im Lustenauer Gemeindeblatt in einem Artikel über die Geschichte der Geburtshilfe in Lustenau wie folgt zusammen: „Am 24. Februar 1942 wurde Frau Josefa Holzer wegen angeblicher staatsfeindlicher Äußerungen von der Gestapo verhaftet, nach Feldkirch überstellt und zu zwei Jahren Haft, die sie in Frauenlagern verbrachte, verurteilt. In ihren Beruf konnte sie erst nach Kriegsende wieder eintreten. Und sie blieb ihm bis zu ihrem Tode 1963, also durch volle 40 Jahre treu. Durch Lagerhaft und Berufsverbot war sie freilich durch 3 Jahre in der Ausübung ihres geliebten Hebammendienstes verhindert.“ Um Josefa Holzer allerdings nicht nur auf ihre Lebensarbeitsleistung zu reduzieren, ist ein genauerer Blick auf ihr Leben und das von ihr während der NS-Zeit erlittene Unrecht und die Schwierigkeiten bei der anschließenden Wiedergutmachung von Seiten des österreichischen Staates nötig. Josefa Kaufmann ist 22 Jahre alt, als sie im Jahr 1916 den 32-jährigen Lustenauer Milchhändler Johann Holzer heiratet. Im April 1918 erblickt ihr erstes Kind das Licht der Welt. Albert Holzer, in Lustenau besser unter dem Namen „Silo-Bert“ bekannt, sollte später ein ortsbekanntes SPÖ-Mitglied und „Original“ werden. Im Juni 1922 kommt mit Berta die erste Tochter zur Welt. Besagte Berta, Ehefrau des Lustenauer Bestattungsunternehmers Anton Feistenauer, starb erst vor wenigen Monaten im hohen Alter von 98 Jahren. Ein im Jahr 2012 mit ihr geführtes Zeitzeugeninterview für das „Zeitzeug:innen Archiv Lustenau“ bezieht sich auch auf das Schicksal ihrer Mutter während der NS-Zeit. Während Josefa Holzers Ehemann Johann eher den Sozialisten zugeneigt war, sei - wie Berta Feistenauer im Interview erzählte -, ihre Mutter Josefa Holzer sehr katholisch eingestellt gewesen und habe als gebürtige Liechtensteinerin immer ein Bild vom Der Opferfürsorgeakt beinhaltet auch zwei Porträtaufnahmen. 18 Nr. 19 / 21 | Lustenauer Gemeindeblatt

Fürst aufgehängt gehabt. Sie berichtete weiter, dass ihr Besuch der Hitlerjugend „mit Ausreden verhindert“ worden sei und dass sie selbst 1942, als ihre Mutter verhaftet worden war, einer Dienstverpflichtung in Berlin nachgekommen sei. Sie habe dann aufgrund der „Abwesenheit“ der Mutter zurück nach Hause gedurft. 1923 hatte die 29 Jahre alte Josefa Holzer ihre Ausbildung zur Hebamme abgeschlossen und wurde eine von damals vier Gemeindehebammen. Ab 1927 konnte sie ihrer Arbeit auch im Schützengarten, im neu erbauten Lustenauer Versorgungsheim mit angeschlossener Entbindungsstation, nachgehen. Ende Februar 1942 wurde Josefa Holzer verhaftet und befand sich für rund drei Wochen in Bregenz in Gestapo-Haft, wurde dann nach Feldkirch überstellt und dort zu zwei Jahren Haft verurteilt, von denen sie 22 Monate in verschiedenen Frauengefängnissen verbrachte. Letztlich war es die Denunziation einer Nachbarin, die Josefa Holzer aus niederen Gründen wegen Feinsenderhören und Kritik an Regime und Führer anzeigte. Einspruch von Josefa Holzer gegen einen abschlägigen Bescheid im Juni 1948. Ablehnung der Berufung im Oktober 1948. Der Opferfürsorgeantrag wurde im Dezember 1947 eingebracht. Dabei waren ihre Haftbedingungen wohl alles andere als rosig und besserten sich erst gegen Ende der Haftzeit nach einer abermaligen Verlegung. 1943 kehrt die einen Tag vor Weihnachten auf Bewährung entlassene Josefa Holzer zurück nach Lustenau, ist aber von da an mit einem Berufsverbot belegt. Am 14. Jänner 1946 beschließt das Landesgericht Feldkirch, dass die Verurteilung vom Josefa Holzer „als nicht erfolgt“ gilt. Allerdings dauert es rund vier Jahre, die von vielen Behördengängen und Berufungen gekennzeichnet sind, bis am 31. Oktober 1949 ihr Antrag auf „Anerkennung einer Anspruchsberechtigung nach [… dem] Opferfürsorgegesetz“ vom Land Vorarlberg stattgegeben wird. Von da an sollte es dann noch weitere vier Jahre dauern, bis Josefa Holzer vom Amt der Vorarlberger Landesregierung am 23. Juni 1953 ein „Gesamtentschädigungsbetrag“ von „S 10.727,60“ zuerkannt wird. Lustenauer Gemeindeblatt | Nr. 19 / 21 19

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