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Lustenauer Gemeindeblatt Nr. 48 | Freitag, 2. Dezember 2022

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Amts- und Anzeigenblatt der Marktgemeinde Lustenau | Erscheint jeden Freitag, Erscheinungsort und Verlagspostamt: 6890 Lustenau

Gegen einen, wie Max

Gegen einen, wie Max Weber es nennt, »Todfeind« liberaler demokratischer Politik war unser Ehrenbürger besonders und erstaunlich immun: die Eitelkeit. Im krassen Gegensatz zu den Schauspielern auf der politischen Bühne war Dieter Alge eitle Selbstbespiegelung völlig fremd. Er wusste, dass diese meist nur kurzfristig auf den momentanen Erfolg fixiert sind und von Stimmungen und Umfragen bestimmt nicht nachhaltig vorausdenken. Immanuel Kant unterscheidet in seiner Schrift „Zum ewigen Frieden“ zwischen einem »moralischen Politiker« …, der die Prinzipien politischer Klugheit so nimmt, »daß sie mit der Moral zusammen bestehen können, und einem »politischen Moralisten, … der sich eine Moral nach seinem eigenen Vorteil schmiedet. Dieter Alge war ein moralischer Politiker, mit hohen Ansprüchen an sich selbst und auch an die Gesellschaft. Dabei war er kein lauter Solist, sondern ein Chorsänger und auch Dirigent. Statt mit gewaltigem Fortissimo zu übertönen, suchte er mit leisen, klaren Tönen zu überzeugen, im besten Fall – aber nicht um jeden Preis – in Einklang und Harmonie. Auch in dieser Hinsicht war und ist er ein großes Vorbild und verdient höchsten Respekt. Apropos Harmonie: »bodenständig und doch weltoffen, hart arbeitend und dabei lebenslustig, mit einer feinfühligen musischen Begabung ausgestattet«, so beschrieb Dieter Alge das Lustenauer Wesen – und diese liebevoll-idealisierende Charakterisierung hat sich in seinem eigenen Wesen realisiert. Ob beim Kirchenchor oder in Paulis Chörle, oder bei geselligen Anlässen mit der Feuerwehr, das gemeinsame Singen und Musizieren hat ihn tief berührt und inspiriert. Die Kraft für sein vielfältiges Wirken – weit über die Politik hinaus – schöpfte Dieter Alge aus seiner Familie. Aus ihr, so betonte er, »erwächst Stärke und Kraft, mit der wir ganz unbewusst die vielfältigen, nicht immer leichten Aufgaben im Berufsalltag meistern können.« Bei seinem Abschied aus der Politik dankte er seiner Frau Hermi und seinen Kindern für den Verzicht auf unzählige Stunden des Zusammenlebens, »für das Verständnis, das eine Verschmelzung von privater mit öffentlicher Sphäre beinhaltet und manchmal ganz schön belastend sein konnte.« Seiner Familie, die ihm so viel bedeutet hat, sind wir zu höchstem Dank verpflichtet, für ihren Verzicht in all den Jahren, und auch für das, was sie geleistet haben, „als die Krankheit ihn daheim einsperrte“, wie es Wieland in seiner Abschiedsrede für seinen Vater ausgedrückt hat. In dieser langen Zeit war Hermi seine Botschafterin ins Gemeindeleben, gleichsam die Brücke, die Verbindung zu seiner »Ortsfamilie«. Dieter Alge war auch ein leidenschaftlicher und unermüdlicher Botschafter und Brückenbauer. Und so hatte für ihn, wie er rückblickend in seiner Abschiedsrede betonte, »die Pflege von überörtlichen Kontakten und Zusammenarbeit« einen hohen Stellenwert. Ein ganz besonderes Anliegen war ihm ein gutes Verhältnis mit den Schweizer Nachbargemeinden. Dieter Alge sprach gesellschaftspolitische Herausforderungen offen und sachlich an, ohne jede Polemik oder populistische Verkürzungen. Im Gegenteil, er warnte vor Menschen, die »rasche und radikale Lösungen parat haben«, die mit einem vermeintlich einfachen Weg locken, ohne die mühsamen und zeitaufwändigen »Wege des Verhandelns, des Vor- und Nachgebens, und des Erklärens von Entscheidungen. Immer das Gemeinwohl im Sinn, im Selbstverständnis eines Bürgermeisters für alle, hatte er auch intergrationspolitische Herausforderungen in Lustenau im Blick, die vielen Menschen in Lustenau, »denen denen zwar Plätze in unserer Wirtschaft eingeräumt sind, die aber vorerst noch keinen Platz in unserer Gesellschaft gefunden haben.« Integration sah Dieter Alge als langwierigen Weg, für den beide Seiten Geduld und die Einsicht brauchen, »dass am Ende des Weges zwar keine bedingungslose Integration stattfinden wird, sehr wohl aber ein friedliches Neben- und Miteinander stehen kann.« Für die Qualität unseres künftigen Lebens brauche es »Gemeinsinn, Toleranz und Friedfertigkeit.« Einiges im Umdenken der vergangenen Jahre lasse diese erstrebenswerten und unverzichtbaren Eigenschaften vermissen. Sie vorzuleben und in Erinnerung zu rufen sei eine vornehme Pflicht aller im öffentlichen Leben Stehenden sein. Die Qualität unseres künftigen Lebens – das ist wohl der inhaltliche Kern von Dieter Alges unermüdlichem Vorausdenken. Daher möchte ich meine gesprächsweise Erinnerung mit einem hoffnungsvollen Ausblick, mit dem er seinen Vortrag zum Jubiläum »100 Jahre Marktgemeinde Lustenau« beendet hat: »Den Dank für Geleistetes verbinden wir an einem solchen Tage mit der Bitte und der Hoffnung, es möge der Marktgemeinde Lustenau auch künftig eine friedliche Zeit beschieden sein, eine Zeit, in der sich unsere geliebte Heimatgemeinde in Freiheit und in einem gesellschaftlichen und politischen Grundkonsens weiter entfalten kann zum Wohle aller ihrer Bewohner, in einem prosperierenden Land Vorarlberg, eingebettet in eine lebendige Region an Bodensee und Rhein und in einem zusammenwachsenden Europa.« So hat Dieter Alge ein Zukunftsbild vorausgedacht, unsere Region, das Rheintal als Chancental, als chancenreicher Lebensraum. Kein nostalgisches „Zurück zur guten alten Zeit“, sondern etwas Vorausgedachtes. Vorausdenken, der Anspruch von Dieter Alge an sich selbst. Vorausdenken, der Anspruch an uns, die wir uns gesprächsweise an unseren Ehrenbürger und Altbürgermeister dankbar erinnern. In großer Dankbarkeit und höchster Anerkennung verneigt sich die Marktgemeinde Lustenau vor ihrem Ehrenbürger und Altbürgermeister Dieter Alge und wird ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren. Durch die vielfältigen Spuren seines Wirkens aber auch durch sein großes Vorbild wird er weiterleben in unserer Erinnerung und so auch weiterwirken.“ Die gesamte Rede lesen Sie auf www.lustenau.at 18 Nr. 48 / 22 | Lustenauer Gemeindeblatt

Nachruf Dieter Alge (1940-2022) „Dieter Alge wurde am 21.7.1940 in Lustenau geboren. Nach dem Besuch der Volks- und Hauptschule absolvierte er auch die Handelsschule in seiner Heimatgemeinde. Danach trat er eine Stelle in der Privatwirtschaft an. Schon früh engagierte er sich in der Kommunalpolitik. 1965 wurde er im Alter von knapp 25 Jahren für die FPÖ in die Gemeindevertretung gewählt. Fünf Jahre später übertrug ihm der damalige Bürgermeister Robert Bösch das wichtige Ressort des Finanzreferenten der größten Marktgemeinde Österreichs und nur zwei weitere Jahre später wurde er außerdem noch Vizebürgermeister. Als Robert Bösch 1982 vom Amt des Bürgermeisters zurücktrat, wählte die Lustenauer Gemeindevertretung Dieter Alge mit den Stimmen der FPÖ zu seinem Nachfolger. In dieser Position wurde er bei Gemeindewahlen zweimal, 1985 und 1990, bestätigt. Mit Dieter Alge hielt ein neuer politischer Stil Einzug ins Rathaus. Im Unterschied zu seinem Vorgänger Robert Bösch war er ein Mann der leisen Töne. Dennoch verfolgte er stets eine klare Linie. Für ihn war, wie er es rückblickend einmal ausdrückte, „eine sachlich richtige Entscheidung auch eine politisch richtige Entscheidung“. So verfolgte er ein einmal anvisiertes Ziel auch dann, wenn ihm der tagespolitische Wind ins Gesicht blies. Dieter Alge, der durch anderthalb Jahrzehnte auch Ortsparteiobmann der FPÖ war, haftete durch seine Herkunft – sein Vater Oskar vertrat die FPÖ und ihre Vorgängerorganisation, den VdU, durch viele Jahre in der Gemeindevertretung – gleichsam freiheitlicher „Stallgeruch“ an, aber es war der „Stallgeruch“ der liberalen siebziger Jahre. So geriet er nach Beginn der „Ära Haider“ ab 1986 immer häufiger in einen Gegensatz zur Bundespartei. Am deutlichsten wurde das beim sogenannten „Ausländer-Volksbegehren“ zu Beginn des Jahres 1993. Wie sein späterer Nachfolger Landesrat Hans-Dieter Grabher artikulierte auch Dieter Alge öffentlich sein Unbehagen über das von Jörg Haider initiierte Volksbegehren. Obwohl er dieser Art, Politik zu betreiben, persönlich ablehnend gegenüberstand, weil seiner Ansicht nach „damit eine gefährliche Emotionalisierung und Polarisierung verbunden war“, plädierte er dafür, „die geleisteten Unterschriften [..] als Ausdruck von nicht unbegründeten Ängsten“ zu sehen, „die von Bund und Ländern durch ausgewogene Maßnahmen zu zerstreuen sind“. haben, so haben wir seiner Person immer eine ehrliche Wertschätzung entgegengebracht. Sein politischer Stil war besonnen und seriös, in Rededuellen schlagfertig, bisweilen auch bissig. Er hatte eine klare Linie, schöne Worte. Lächelnde Anbiederung an den Wähler und geschwätzige Unverbindlichkeit waren seine Sache nicht. Als Parteimann war er einer der aussterbenden, echten Liberalen innerhalb der FPÖ, der sich – wie zuletzt in Sachen Ausländer-Volksbegehren –auch nicht scheute, gegen den Strom der Parteilinie zu schwimmen. Er war stets redlich bemüht, das Gemeinwohl vor Einzel-, Gruppen- oder Parteiinteressen zu stellen.“ Dieter Alge, der nach seinem Rücktritt als Bürgermeister zum „Gemeindeverband für Abfallwirtschaft und Umweltschutz“ wechselte, hat, wie es der grünalternative Gemeinderat Hans Bösch ausdrückte, „die politische Kultur in Lustenau entscheidend mitgeprägt“. Die Marktgemeinde verlieh ihm am 26.10.1998 „in Anerkennung und Würdigung der besonderen Verdienste als Bürgermeister und politischer Mandatar“ ihre Ehrenbürgerwürde.“ Dr. Wolfgang Scheffknecht, Historisches Archiv der Marktgemeinde Lustenau Als Dieter Alge am 30.9.1993 sein Amt als Bürgermeister aus freien Stücken zurücklegte, verließ ein Mann die politische Bühne, der wegen seiner Fairness und Sachlichkeit über alle Parteigrenzen hinweg großes Ansehen genoss. Dies kommt nirgends deutlicher zum Ausdruck als in einer Abschiedsadresse, welche die Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter der Alternativen Liste in einer ihrer Parteiaussendungen veröffentlichten und in der sie betonten: „Auch wenn wir […] die Lustenauer Gemeindepolitik, die er nach außen hin repräsentierte und kraft seines Amtes als Bürgermeister zu vollziehen hatte, vor allem in Sachen S 18, Verkehrs-, Sozial- und Bildungspolitik heftig attackiert Altbürgermeister Dieter Alge (21.7.1940 – 24.10.2022) Lustenauer Gemeindeblatt | Nr. 48 / 22 19

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